„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt darauf an, sie zu verändern“ (Karl Marx)

Tuesday, May 09, 2006

MARX HEUTE- DER MATERIALISMUS

Der erste Teil der Serie MARX HEUTE- TOTGESAGTE LEBEN LÄNGER beschäftigt sich mit wichtigen Begriffen und Gedankengängen des Marxismus.
Diese Annäherung an das Thema hat zum Ziel, einerseits einen Einstieg in die Thematik zu geben und andererseits eine Basis für Diskussionen zu schaffen.
Aus diesem Grund wurde der Inhalt in Anlehnung an eine orthodoxe Marxismusinterpretation verfasst und die Ausführungen mit Originalzitaten unterlegt.

Den Auftakt bietet einer der zentralsten Begriffen des Marxismus: Der Materialismus, welcher sich in den Dialektischen und Historischen gliedert.

Hier gelangt man zur Einleitung der Serie


1.Materialismus
(Idealismus - Grundfrage der Philosophie - Dialektischer und Historischer Materialismus - Marxismus/Leninismus
)

Unter Materialismus versteht man die dem Idealismus entgegengesetzte philosophische Grundrichtung.
Die Grundfrage der Philosophie wird dahingehend beantwortet, dass die Materie gegenüber dem Bewusstsein in letzter Instanz das Bestimmende (Primäre) sei.
Somit ist der Materialismus eine Weltanschauung, die Natur und Geschichte umfasst. Sie tritt jedem Individuum fern aller vorgefassten Idealismen entgegen und schließt alle philosophischen Richtungen ein, die notwendig sind, um die materielle Welt (einschließlich der menschlichen Gesellschaft), das Bewusstsein und die menschliche Tätigkeit sowie den Menschen selber philosophisch zu erfassen.

Der Dialektische und Historische Materialismus sind Grundbestandteile und die philosophische Grundlage des Marxismus-Leninismus, da sie eine in sich geschlossene Lehre von den allgemeinen Entwicklungsgesetzen der Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens bilden.


1.1. Dialektischer Materialismus
(Marxistischer Materialismus - Dialektischer Materialismus – Methodologie - Praktisches Handeln)

Der Dialektische Materialismus setzt sich aus der marxistischen Dialektik und dem marxistischen Materialismus zusammen. Beide Elemente bilden sowohl Weltanschauung als auch Theorie.
Der marxistische Materialismus ist die philosophische Theorie von der Materialität der Welt und beschreibt das Verhältnis von Materie und Bewusstsein.
Die marxistische Dialektik ist die philosophische Theorie vom Zusammenhang, von der Bewegung und der Entwicklung der Welt.
Somit liefert der Dialektische Materialismus eine philosophische Deutung des „Wesens der Welt“ und untersucht das Verhältnis des Bewusstseins zur (objektiven) Realität und die Gesetzmäßigkeiten der Natur.
Weiters analysiert und beschreibt der dialektische Materialismus die Gesellschaft, das Denken beziehungsweise das Erekennen und die Stellung des Menschen in der Welt.

Der Unterschied des Dialektischen Materialismus zu anderen vormarxistischen Philosophien liegt darin, dass er sich nicht von den Einzelwissenschaften abgrenzt. Vielmehr werden die aus den Einzelwissenschaften gewonnen Erkenntnisse philosophisch analysiert um daraus eine tragfähige erkenntnistheoretische Grundlage und eine allgemeine Methodologie auszuarbeiten. Der Dialektische Materialismus gibt somit den Wissenschaften eine wissenschaftliche Weltanschauung, eine Erkenntnistheorie und eine allgemeine Methodologie.
Er ist nicht nur eine Weltanschauung, sondern auch eine Anleitung zum aktiven, also praktischen Handeln.

1.2. Historischer Materialismus
(Lebensprozess - soziale Treibkräfte des Geschichtsprozesses – wissenschaftlich- materialistische Theorie - Wissenschaftlicher Sozialismus und Kommunismus - Geschichte von Klassenkämpfen - objektive Erkenntnis- Zweite Natur - Theorie und Praxis - Das Sein bestimmt das Bewusstsein - Basis/Überbau)

Der Historische Materialismus stellt die höchste Stufe beziehungsweise die Vollendung des marxistischen Materialismus dar.
Er geht von der praktischen Lebenstätigkeit und den Lebensprozessen des Menschen aus, die vor allem aus der Praxis des materiellen Produktionsprozesses, des Klassenkampfes und der sozialen Revolution bestehen.

Der Historische Materialismus deckt die entscheidenden sozialen Triebkräfte des Geschichtsprozesses auf, die aus dem realen Lebensprozess der Menschen hervorgehen. Somit werden die grundlegenden Struktur- und Entwicklungsgesetze der Gesellschaft als Ganzes analysiert.

Der Historische Materialismus begründet eine wissenschaftlich-materialistische Theorie von der Gesellschaft und ihrer Entwicklung als Ganzes, die vor allem von der Bedeutung der materiellen gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozesse und deren Entwicklung ausgeht.
Daher stellt der Materialismus die Basis für den Wissenschaftlichen Sozialismus und Kommunismus dar: Die Geschichte ist eine Geschichte von Klassenkämpfen und die Grundlage jeglicher gesellschaftlichen Gliederung sind die ökonomischen Produktionsverhältnisse. Sozialismus und Kommunismus stellen die einzige Alternative zur Überwindung des Kapitalismus dar. Dieses Ziel der revolutionären Arbeiterklasse kann aber nur durch eine exakte und objektive wissenschaftliche Analyse des kapitalistischen und somit gesellschaftlichen Entwicklungsprozess es verwirklicht werden.

Der Wissenschaftliche Sozialismus und Kapitalismus behaupten die Möglichkeit einer objektiven Erkenntnis der gesellschaftlichen und historischen Prozesse, und damit die Überzeugung, die Abschaffung des Kapitalismus als historische Notwendigkeit zu erreichen.

Marx unterscheidet nun zwischen der natürlichen Wirklichkeit, die sich der Mensch aneignet, von einer historisch geprägten gesellschaftlichen Wirklichkeit („Zweite Natur“). Marx sieht daher die von den Menschen bestimmte Geschichte nicht nur durch natürliche, geschichtliche, sondern auch durch gesellschaftliche Umstände bestimmt. Für die marxistische Theorie bedeutet dies nun: Der Mensch wird nicht nur als Naturgegenstand betrachtet, sondern auch als historisches Wesen, welches die Natur bestimmt.

Die marxistische Theorie stellt demnach nicht nur den Anspruch auf eine rücksichtslose Kritik alles Bestehenden, sondern auch auf die praktische Umsetzung der auf wissenschaftlichen Erkenntnisse beruhende Philosophie.

Aus dieser Sichtweise ergibt sich die starke Verbindung von Theorie und Praxis in der marxistischen Philosophie. Denn mit der Verwerfung der „alten“ Philosophie (v.a. die „Deutsche Ideologie“), die sich mit der Welt des Ideellen beschäftigte, tritt Marx für eine Philosophie ein, die eine Wissenschaft der Geschichte (der Klassenkämpfe) ist. Er geht davon aus, dass sich die Philosophie nur mit der Aufhebung des Proletariats verwirklichen und sich das Proletariat nur mit der Verwirklichung der Philosophie aufheben könne.

Marx geht davon aus, dass das Sein der Gesellschaft (durch die materiellen, ökonomischen Umstände bestimmt) das Bewusstsein des Einzelnen bestimmt.
Das Sein, also auch die Staatsform, ist laut Marx nicht durch geistige Leistungen der Menschen entstanden, sondern durch die materiellen und ökonomischen
Verhältnisse bestimmt, die er unter den Begriff der – in Anlehnung an Hegel - „bürgerlichen Gesellschaft“ zusammenfasst. Die „Anatomie“ der bürgerlichen Gesellschaft sei auch wiederum in der politischen Ökonomie zu finden
Folglich bildet laut der marxistischen Auffassung, die Art und Weise der Organisation der materiellen Produktion, die Basis jeder gesellschaftlichen Produktion

Die Produktionsverhältnisse also bestimmen die Grundlage, auf der sich der gesellschaftliche Überbau erhebt. Dieser Überbau beschreibt die Verwaltung gesellschaftlicher Beziehungen ( v.a. durch die staatliche Organisation) sowie die geistige Produktion ( Moral, Recht, Philosophie, u.s.w.).

Im revolutionären Umbruch, so Marx, kommt es aufgrund der Veränderung der ökonomischen Verhältnisse zu einer Umwälzung des bürgerlichen Überbaus. Damit verändert sich auch die Bestimmung des Bewusstseins und der Lebensprozesse der Menschen.


Originalzitate:

„Die einzig praktisch mögliche Befreiung Deutschlands ist die Befreiung auf dem Standpunkt der Theorie, welche den Menschen für das höchste Wesen des Menschen erklärt. (...)
In Deutschland kann keine Art der Knechtschaft gebrochen werden, ohne jede Art der Knechtschaft zu brechen. Das gründliche Deutschland kann nicht revolutionieren, ohne von Grund aus zu revolutionieren. Die Emanzipation des Deutschen ist die Emanzipation des Menschen. Der Kopf dieser Emanzipation ist die Philosophie, ihr Herz das Proletariat. Die Philosophie kann sich nicht verwirklichen ohne die Aufhebung des Proletariats, das Proletariat kann sich nicht aufheben ohne die Verwirklichung der Philosophie“
[Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, S. 28. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 567 (vgl. MEW Bd. 1, S. 391)].

„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt darauf an, sie zu verändern“ ( Marx, in: Mandel 2002, 4)

In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von [ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen.

Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt. Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um“
(Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, S. 5. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 2897 (vgl. MEW Bd. 13, S. 8-9))

„Das Bewußtsein kann nie etwas Andres sein als das bewußte Sein, und das Sein der Menschen ist ihr wirklicher Lebensprozeß. Wenn in der ganzen Ideologie die Menschen und ihre Verhältnisse wie in einer Camera obscura auf den Kopf gestellt erscheinen, so geht dies Phänomen ebensosehr aus ihrem historischen Lebensprozeß hervor, wie die Umdrehung der Gegenstände auf der Netzhaut aus ihrem unmittelbar physischen.

Ganz im Gegensatz zur deutschen Philosophie, welche vom Himmel auf die Erde herabsteigt, wird hier von der Erde zum Himmel gestiegen. D.h., es wird nicht ausgegangen von dem, was die Menschen sagen, sich einbilden, sich vorstellen, auch nicht von den gesagten, gedachten, eingebildeten, vorgestellten Menschen, um davon aus bei den leibhaftigen Menschen anzukommen; es wird von den wirklich tätigen Menschen ausgegangen und aus ihrem wirklichen Lebensprozeß auch die Entwicklung der ideologischen Reflexe und Echos dieses Lebensprozesses dargestellt. Auch die Nebelbildungen im Gehirn der Menschen sind notwendige Sublimate ihres materiellen, empirisch konstatierbaren und an materielle Voraussetzungen geknüpften Lebensprozesses. Die Moral, Religion, Metaphysik und sonstige Ideologie und die ihnen entsprechenden Bewußtseinsformen behalten hiermit nicht länger den Schein der Selbständigkeit. Sie haben keine Geschichte, sie haben keine Entwicklung, sondern die ihre materielle Produktion und ihren materiellen Verkehr entwickelnden Menschen ändern mit dieser ihrer Wirklichkeit auch ihr Denken und die Produkte ihres Denkens. Nicht das Bewußtsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein. In der ersten Betrachtungsweise geht man von dem Bewußtsein als dem lebendigen Individuum aus. In der zweiten, dem wirklichen Leben ent-sprechenden, von den wirklichen lebendigen Individuen selbst und betrachtet das Bewußtsein nur als ihr Bewusstsein“
[Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, S. 21/22. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 1282 (vgl. MEW Bd. 3, S. 26-27)].

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